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S a t i r e n betr. "Herr Fritz, woher stammen die Bilder?"



Es ist schwer, keine Satire zu schreiben !
Juvenal

Es ist unmöglich, keine Satire zu schreiben !
Anonymus

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Der Anlass


Im Dortmunder Museum für Kunst- und Kulturgeschichte (MKK) fand vom 13.5. bis zum 14.10. 2018 eine Sonderausstellung zur Provenienzforschung statt, unter dem Titel "Herr Fritz, woher stammen die Bilder?"

Dr. Rolf Fritz (1904 - 1992) war von 1936 bis 1966 der Direktor des Museums, das seit 1946 auf Schloss Cappenberg untergebracht war. Sein Verdienst war es, im Auftrag der Stadt die Gemäldegelerie aufzubauen, und seine wissenschaftliche Arbeit ist in der Fachwelt hoch anerkannt.

Der provokante Titel, mehr noch die begleitenden Texte der Ausstellung, die von den Medien ungeprüft übernommen wurden, suggerierten nun, dass Dr. Rolf Fritz wie auch seine Assistentin - da beide in der Nazizeit amtiert hatten - in bedenkliche Machenschaften verstrickt gewesen seien.

An Stelle reeller Information aber wurden die üblichen Klischees bedient, mit für Laien nicht durchschaubaren Unrichtigkeiten, ob aus Unkenntnis, Fahrlässigkeit oder Manipulation. Das beschönigend formulierte Eingeständnis der Macher, es sei Dr. Fritz "keine direkte (!?) Beteiligung an Kunstraub nachzuweisen", erschien weder in den Prospekten noch in den Medien.

Trotz Hinweisen von kundiger Seite und Forderungen nach Sachlichkeit erfolgte bis heute keine Richtigstellung. Die postmortale Ehrverletzung wurde in Kauf genommen.

Nach mehrfachem Austausch mit Besuchern kam es zu den nachfolgenden satirischen Äußerungen. Diese waren ursprünglich privat gemeint. Sie sollen jedoch, wegen der anhaltenden Aktualität, der Öffentlichkeit nicht länger vorenthalten sein, als eine Mahnwache der anderen Art.

Im Namen eines Exzellenzclusters
gez.
Schannele Nemesis


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Inhalt


1. Mordfall
2. MeToo
3. Stammbuchvers
4. Watt Kumpel Anton so fon dänkt
5. Endspiel


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1.
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Ruhrpottnachrichten

Mordfall


Eine höchst bemerkenswerte Gruppe erschien heute früh im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK). Die Besucher - auffallend zahlreich, alle in tiefe Trauer gekleidet - begaben sich zielsicher in die Sonderausstellung zum Thema Provenienzforschung und Raubkunst (Titel: "Herr Fritz, woher stammen die Bilder?") Dort schlossen sie sich feierlich zu einem dichten Kreis zusammen. Nach mehrminütigem Schweigen, nur von Schluchzen unterbrochen, entfernten sie sich, einander gegenseitig stützend.

Jetzt erst erwies sich, dass in der Mitte des Raumes ein mächtiger Lorbeerkranz niedergelegt worden war, mit weißen Lilien und Seidenschleife "Herrn Dr. Rolf Fritz zum ehrenden Gedenken". Ringsum standen brennende Grablichte und handbeschriebene Papptafeln: "Warum?!" und, in blutroten Lettern: "Rufmord ist Mord!!!" Daneben lag aufgeschlagen ein Kondolenzbuch mit Goldschnitt. Unter den Einträgen fanden sich illustre Namen, wie C. von Soest, Th. von Oer, C.D.Friedrich und Chr. Rohlfs.

Die Museumsleitung, durch den Entsetzensschrei der Aufseherin herbeigerufen und gleichermaßen aufs äußerste entsetzt, veranlasste umgehend die Entsorgung sämtlicher Materialien, da es sich weder um eine Performance noch um eine behördlich genehmigte Demonstration handelte. Auf Einschaltung der Polizei wurde peinlichkeitshalber verzichtet.


Tristan Zornmut, Leo Reißzahn




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2.
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Westfälische Wundschau

MeToo


Bezug: Porträt der Ghecca Morase, gemalt 1837 von Theobald von Oer, erworben 1939 von Dr. Rolf Fritz für die Gemäldegalerie des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund. Das Bild wurde für Plakat und Flyer der Ausstellung "Herr Fritz, woher ..." genutzt; Text dort: "Keine Erhärtung von Raubkunstverdacht" (!)


Die Serie der mysteriösen Vorfälle in der umstrittenen Sonderausstellung des Dortmunder MKK reißt nicht ab. Mehrere Mitglieder der Museumsleitung wurden heute infolge eines Anschlags in eine Spezialklinik eingeliefert, mit schweren Verbrennungen. Zu der Tat bekannte sich Ghecca M. (22), italienische Staatsbürgerin.

Wie Ghecca M. angab, habe sie sich für Missbrauch rächen wollen. Als Leidensgenossen benannte sie "dottor mio" (Dr.Rolf Fritz, d.Red.). Dieser habe ihr, als der Tochter eines Westfalen, obwohl Migrantin, vor Jahren eine Heimat gegeben, in der Gemäldegalerie des MKK Dortmund. Dort aber sei sie von einer Bande überfallen worden. Man habe sie gegrapscht und in einen unbekannten Raum verschleppt, wo sie als Lockvogel habe dienen müssen. Man habe ihr das Gesicht zerschnitten, um daraus Hasspost zu basteln. Da habe sie, aus ihrem verbliebenen Auge, Blitze geschleudert, und aus ihrem nur noch halben Lächelmund habe sie kochende Lava gespuckt - sie wünsche einzig, so Ghecca M. wörtlich, sie hätte "noch besser getroffen".

Auf Befragen erklärte sie dieser Zeitung, sie habe bereits einen Vertrag als Titelgirl bei der "Emma", passend zum Interview "Ikone wider Willen schlägt zurück". Und selbstverständlich werde sie weiter für ihren "dottor" , der um ihretwillen gleichfalls zum Opfer geworden sei, als Bodyguard arbeiten, da er selbst sich nicht wehren könne. Dafür sei sie Feuer und Flamme...

Wie aus unterrichteten Kreisen verlautet, hat der eiligst zusammengerufene Betriebsrat des MKK gefordert, dass neben jedem Exponat von sogenannter Raubkunst ein Minimax zu installieren sei: Die Kosten würden ja sowieso vom Deutschen Zentrum Kulturverluste übernommen.


Lucrezia von Nadel-Stich, Mizzi Haudruff




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3.
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WikiPieks

Stammbuchvers


ob einem Poesie-Album oder einem Gesangbuch entnommen, konnte nicht ermittelt werden

In einem Dortmunder Museum,
da ging eine fixe Idee um -
jedoch: die sie machten
(die Ausstellung), brachten
ihr eigenes Renommee um.

Es scheint, auch die Provenienz-
erforschung braucht Effizienz
nach bewährtem Rezept:
"Man bloß aufgepeppt
und 'n Buhmann gebaut - das bringt Fans!"

Nun weiß man: Seit jeher ist Dort-
mund der Künste Hüter und Hort!
Drum entdeckt man schon heut
die Prospekte erfreut
gebrauchsfertig auf dem Abort.


Micky-Muse Brülltiger



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4.
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WehWAZ, Geheimarchiv

Watt Kumpel Anton fon dänkt


"Anton," sachtä Cervinski zu mich,
"Finze nich, dattet bessa hass wie dä Här Frizz?"
"Wazzolldattenn," sarich, "watt forne Här Frizz?"

"Datt waisse nich, Anton?", sachtä Cervinski,
"Datt istoch dä Dockta Frizz,
Dä auf Kappenbärch wah, auffet Schloss."
"Wattema," sarich, "da warich schomma mitti Blahng,
Datt is gans schön da ohm,
Un da wah so ain, gahkain sone hochgestochenen,
Wennze dehn mainss? Wattismittäm?"

"Hasse nich gehört, Anton," sachtä Cervinski,
"Dän sinse am Plattmachen.
Dä wahtoch Scheff fon dat Museum in Dottmund,
Hattä hingekricht wien Weltmaista,
Hamse alle gesacht.
Aba gezz sin da sone Hainis am rumprutschen
Un am schrain, datta fillaicht Bilda gekauft hat,
Datt wahn fillaicht ma Juhdn ihre,
Un fillaicht wahnse geklaut.
Wais kain ain watt fon,
Aber die sin am rumkrakeeln,
Wie wenna nen Krimminellen wehr."

"Na," sarich, "denn mussa ehmt beit Gericht gehn."

"Mann, Anton," sachtä Cervinski,
"Dä Dockta Frizz istoch länx doht.
Deswehng könnse labern wattze wolln,
Datt brauch blohs Kwatsch sain mit Sose,
Haupsache datt gippt Stunk,
Datt kommt inne Medjen,
Un da könnse dann mit strunzen."

"Hömma, Ämmil," sarich, "datt kannichnich ham,
Wenndatt kaine Gerächtichkait gippt,
Un son ahm dohten Dockta,
Dä krichta bestimp gezz noch de Pimpernellen fon."

"Sachtattnich, Anton," sachtä Cervinski,
"Kumma, dä Dockta Frizz,
Dä kuckt fillaicht ma runter fon Wolke siehm,
Un denn siehta den ihrn Schisselameng,
Watt mainze, watt dä sich beömmelt!
Un wenna dann nochma kuckt, annen Jünxen Tach,
Denn siehta die Spinners allemannhoch,
Wie die am abdackeln sin nache Hölle,
Fon wehng datze nix gemacht ham wie mauscheln,
Un denn kannada richtich Spass bai ham.

Klaa, datt dauert watt mitti Gerächtichkait, Anton,
Dattistoch main Redn,
Deswehng hasses ja bessa wie dä Dockta Frizz,
Wail wenn son Ganeff rumlaufen tuht
Un sichen Halz foll lüücht, wattu forn Sausack biss,
Denn brauchsse nich wahten bissn Jünxen Tach,
Denn kannze dehn stantepeh aine schallan."


Justus Dukanzmichma




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5.
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Freie Allgemeine Feiertagszeitung

Endspiel


O wundervolle Überraschung! Jauchzet, frohlocket, hipp hipp hurra, olé! Welch beglückendes Erlebnis hat derzeit das Dortmunder MKK, das Museum für Kunst und Kulturgeschichte, zu bieten!!

Die dortige Sonderausstellung dieses Jahres trug bisher den Titel "Herr Fritz, woher stammen die Bilder?" Jetzt aber liest der Besucher, auf Plakaten wie Prospekten, in Leuchtschrift: "ENTSCHULDIGUNG BITTE, HERR DR.FRITZ!" Und Scharen von strahlenden Hilfskräften eilen dem Eintretenden entgegen, um ihm eine kalligraphisch gestaltete Erklärung auf Bütten zu überreichen: "Der Name Fritz hat mit Nazi-Raubkunst nichts zu tun!"

Hauptattraktion im Raum bleiben die zweimeterhohen Informationstafeln, doch erst jetzt ziehen sie geradezu magisch den Blick an. Denn sie wurden samt und sonders, mittels Rotstiften in unterschiedlichsten Breiten und Farbnuancen, derart intensiv korrigiert, dass die Texte nicht mehr lesbar sind; damit haben diese ungemein gewonnen - man möchte dafür plädieren sie aufzubewahren, als grafisch überzeugende Beispiele für fruchtbare Museumsarbeit.

Was der Besucher nicht wahrnehmen kann: Hinter den Kulissen rauchen indessen die Köpfe. Entsprechend dem Gutachten eines Sonderermittlers ist ein hochkarätiges Team von Historikern, Juristen und Stilisten damit beschäftigt, neue Texte zu erstellen - es wurden eigens Arbeitsplätze dafür geschaffen -, um diesmal alle erdenkliche Sorgsamkeit zu gewährleisten, nach dem selbstgewählten Motto: Fakten statt Effekte!

Im Sekretariat bemüht man sich fieberhaft, alle bisherigen Besucher der Ausstellung aufzufinden. Es gilt ja nicht nur die Medien zur Rücknahme der ausgegebenen Fehlinformationen zu bewegen, sondern jedes Schulkind hat das Recht, persönlich von dieser sensationellen Wendung verständigt zu werden. Da wird kein Aufwand gescheut.

Aufs höchste zu preisen ist jedoch die heroische menschliche Leistung, die seitens der Verantwortlichen erbracht wird. Welcher Zivilcourage bedarf es allein schon, sich einer derart beschämenden Situation zu stellen! Und dass nun gar Irrungen Wirrungen Verdrehungen eingestanden und in aller Öffentlichkeit bereinigt werden, das beweist wahrhafte Seelengröße.

Diese Seriosität dürfte dazu beitragen, dem angeschlagenen Ruf des Museums - und somit auch dem Ruf der Stadt Dortmund - wieder aufzuhelfen. Geplant ist erstens, die Lebensleistung des verdienten Mannes zu dokumentieren, ebenso die seiner langjährigen Assistentin Dr. Leonie Reygers. Hierfür muss die Ausstellung beträchtlich erweitert werden. Zweitens soll diese, wie wir zuverlässig erfahren, bundesweit und weltweit gezeigt werden, als Vorbild für perfekte Richtigstellung, zwecks Erbauung und Ertüchtigung angehender Provenienzforscher.

Drittens steht fest - wie mit Oberbürgermeister, Kulturdezernent und Kultusministerium abgeklärt -, dass die Wanderausstellung "Entschuldigung bitte, Herr Dr. Fritz!" nach erfolgter Rückkehr in eine Dauerausstellung umgewandelt wird. Der Titel, neuerlich umformuliert, soll dann bleibend lauten "DANKE, DANKE, HERR DR. FRITZ!" Die hierfür benötigten Säle werden bereits hergerichtet.

Dem geneigten Leser mag dies für den Moment als ein klassischer Fall von Fake News erscheinen. Doch nein, o geneigter Leser, wolle erwägen: Handelt es sich nicht vielmehr um einen klassischen Vorgriff auf nahe Zukunft? Sollte nicht wieder einmal die Utopie von heute zur Realität von morgen werden? Könnte demnach nicht - bitte, wir erwägen ja nur ! - das nie Dagewesene geschehen: dass Anstand über Sensationsmache siegt? Denn gehört nicht zur Museumsarbeit wissenschaftliche Treue? Und hat nicht die Provenienzforschung auf ihre Fahnen geschrieben: Klarstellung, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung... Lassen wir also nicht alle Hoffnung fahren...


Ironica Igel, Friedhold Wehrmut, Victor Feix




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